Auf mehreren Bildschirmen verfolgt Ralf Ringwald in der Leitstelle in Ladenburg, welche Wagen gerade wo im Einsatz sind.Sein oberstes Credo lautet: Ruhig bleiben, schnell handeln.

Die Frau am anderen Ende der Leitung ist aufgeregt, ihre Stimme zittert. Zweimal muss Ralf Ringwald nach ihrem Namen fragen. Der Mitarbeiter der Leitstelle Rhein-Neckar in Ladenburg bleibt ruhig. Er will von der verzweifelten Frau, die die 112 gewählt hat, wissen, ob ihr Mann noch ansprechbar ist.

"Nein. Kommen Sie schnell!" Ihre Stimme versagt. Sofort lässt Ringwald sich die Adresse geben, überprüft, welcher Rettungswagen frei ist - und schickt per Piepser ein Team auf den Weg.

Hier in der Ladenburger Trajanstraße nehmen Ringwald und seine Kollegen Notrufe aus Mannheim, Heidelberg und dem gesamten Rhein-Neckar-Kreis entgegen, von Laudenbach bis Sinsheim, von Schwetzingen bis Eberbach. Sie sind somit für ein Einsatzgebiet zuständig, in dem fast eine Million Menschen leben. Nachts sind sie zu dritt, tagsüber sitzen bis zu neun Kollegen an den Telefonen.

Es ist kurz nach 23 Uhr, Ringwalds Nachtschicht hat eben erst begonnen. Nach der Übergabe hat er den Computer gestartet und den höhenverstellbaren Schreibtisch nach oben gefahren. Er arbeitet zwischendurch gern im Stehen. Ein grünes, PS-starkes Auto breitet sich als Hintergrund über alle drei Bildschirme aus. "Wie viele Schichten machst du, Ralle?", ruft der Kollege rüber. "Siebenmal Nacht am Stück." Nachts zu arbeiten, macht Ringwald nichts aus. "Schichtdienst hat auch Vorteile", findet er.

Ralf Ringwald

Ralf Ringwald ist 50 Jahre alt. Der Rettungsassistent lebt in Mannheim.

Rund 45 Rettungsassistenten teilen sich die Schichten in der Leitstelle in Ladenburg.

Im Schnitt nehmen Ringwald und seine Kollegen um die 150 Anrufe pro Acht-Stunden-Schicht entgegen. Nachts ist es unter der Woche in der Regel ruhiger.

Anrufer, die in Mannheim und Heidelberg die 112 wählen, landen zuerst bei den dortigen Feuerwehren. Haben sie einen medizinischen Notfall, werden sie umgehend nach Ladenburg weitergeleitet.

Im kommenden Jahr sollen auch diese Anrufe gleich in Ladenburg ankommen.

Vom Zivildienst zum Beruf

In der Leitstelle arbeitet der 50-Jährige seit 1997, damals noch in Mannheim. Seit 2006 laufen die Fäden in Ladenburg zusammen. Schon vorher war Ringwald im Rettungsdienst, erst als Zivildienstleistender, seit 1993 hauptberuflich. "Die Leitstelle hat mich schon immer interessiert", sagt er.

Also wechselte er vom Einsatzwagen an den Schreibtisch. Zumindest meistens, denn hin und wieder ist er noch draußen im Einsatz. So ist es auch gedacht: Die Kollegen aus der Leitstelle sollen nach wie vor im Rettungsdienst arbeiten. Darauf, so Ringwald, freue man sich dann besonders. Um in der Leitstelle arbeiten zu können, standen Fortbildungen an: zum Einsatzleiter Rettungsdienst, die Feuerwehrausbildung bis zum Gruppenführer und eine mehrmonatige Ausbildung in der Zentrale selbst.

Auf drei Bildschirmen vor ihm verfolgt Ringwald jetzt das Geschehen im gesamten Einsatzgebiet, ein Wust aus Daten und Zahlen. Eine Liste zeigt vorbestellte Krankentransporte, die zweite laufende Einsätze, die dritte, welche Fahrzeuge im Einsatz sind. Auch, wie die Kollegen draußen sind, sieht er hier: ob mit Blaulicht oder ohne. Ringwald funkt eine Besatzung an, um herauszufinden, wo sie sich gerade befindet. "7-82-1?", fragt er. Und bekommt umgehend Antwort: "Unterwegs ins KH Viernheim." Ringwald antwortet kurz und knapp: "Ja, verstanden."

Ein Mann ruft an. Seine Frau habe starke Schmerzen. "Ist sie gestürzt?", will Ringwald wissen. "Soll ich Ihnen einen Krankenwagen schicken, oder denken Sie, es reicht, wenn Sie erstmal den ärztlichen Notdienst anrufen?", fragt er, als der Anrufer ihm die Situation geschildert hat. Der Rettungsassistent gibt die Nummer des Arztes raus - und versichert dem Mann, dass er einen Wagen schickt, sobald er erneut anruft oder der Arzt sich meldet. "Man muss haushalten", sagt Ringwald. "Nachts haben wir weniger Wagen im Einsatz." Unter der Woche sei es dann meist auch ruhig. "Aber am Wochenende ist die Hölle los." 170 000 bis 180 000 Rettungsdiensteinsätze gibt es im Zuständigkeitsgebiet pro Jahr: "Anrufe bekommen wir aber weitaus mehr."

Es ist ruhig in dieser Stunde. "Heute hatte der Kollege den Stress." Bis zum Schichtwechsel hatte der nämlich noch mit einem ICE-Unglück zu tun. Viel Zeit für Unterhaltungen bleibt den drei Männern aber auch jetzt nicht. Telefon oder Funk, irgendwas klingelt oder piepst meistens. "10-83-4" meldet, dass er auf der Rückfahrt ist.

Ringwald mag die Herausforderung, nicht zu wissen, was kommt, wenn er zur Arbeit fährt. Das Wichtigste sei, den richtigen Draht zu den Menschen zu finden, zu den Anrufern, die oft geschockt, ängstlich oder verzweifelt sind. "Man muss natürlich vor allem ruhig bleiben", sagt er, "freundlich sein, aber die Leute ausquetschen."

Denn je mehr Ringwald weiß, desto besser kann er einschätzen, wie dringend Hilfe gebraucht wird und welches Fahrzeug, welche Besatzung zum Einsatzort geschickt werden sollten. Die Checkliste hat er im Kopf, stellt Schicht für Schicht dieselben Fragen.

Als die roten Ziffern der Uhr in der Leitstelle auf 0:00 springen, hat Ringwald noch sieben Stunden vor sich. Er weiß nicht, was kommt. Nur, dass er Ruhe bewahren wird.

Quelle: Mannheimer Morgen vom 31.08.2013